Unsere Führungsreihe – Teil 7

emmanuela kohlhaas 1

Wenn von Führung die Rede ist, gehen die Ansichten unter Führungskräften weit auseinander. Von Einigkeit ist keine Spur. Im Gegenteil: Die Extreme existieren weiterhin. Die Hardliner führen nach klassischem Muster. Mit harter Hand. Von oben nach unten. Ohne Kompromisse. Ein Modell, das allem Anschein nach jedoch an Attraktivität und Zustimmung verliert. Denn die Zeiten ändern sich und mit ihr auch der Umgang mit Mitarbeitern. Es scheint, als verlange Führung den Führenden zunehmend mehr ab.

Wir von proJob wollten es genauer wissen und haben uns deshalb auf eine ungewisse Reise begeben, um mehr über Führung und die Menschen dahinter zu erfahren. Wie sie verstanden und gelebt wird. Wie wird Führung im Jahr 2022 interpretiert? Macht Führen eigentlich Spaß? Wieso ist Führung ein Erfolgsfaktor? Fragen über Fragen. Mit teilweise verblüffenden Antworten. In loser Folge bitten wir Führungskräfte zum Gespräch und fragen nach. Es könnte spannend werden. Begleiten Sie uns einfach.

Teil 7 – Emmanuela Kohlhaas, Priorin einer Benediktinerinnengemeinschaft in Köln

Was bedeutet für Sie Führung im Allgemeinen?

Ich bevorzuge das Wort „Leitung“, weil „Führung“ für mich impliziert, dass ich weiß, wo es lang geht, die Geführten aber nicht. Leitung ist außerdem dem englischen Wort „Leadership“ näher, in dem für mich nicht nur eine umfassende Befähigung zur Leitung, sondern auch eine Leitungs-Persönlichkeit mitschwingt.

Wie funktioniert Führung bei den Benediktinerinnen?

Bei uns gibt es eine jeweils auf sechs Jahre frei gewählte Leitung mit klar umrissenen Kompetenzen. Ihr gegenüber steht die Versammlung aller stimmberechtigten Mitglieder, das sogenannte Kapitel, das in vielen wichtigen Belangen per Abstimmung entscheidet. Bei uns gibt es also eine Gewaltenteilung.

Was ist Ihr wichtigstes Führungsinstrument?

Der Dialog, und zwar mit einzelnen Mitgliedern genauso wie mit Gruppen oder dem Kapitel. Dabei verstehe ich mich als interne Beraterin und Moderatorin.

Wie entstand für Sie das Interesse, sich in den Themen Supervision, Coaching und Organisationsberatung auszubilden und welchen Impakt hat diese Entwicklung auf Ihr Führungsverhalten?

Ich habe mich schon immer für Menschen und Kommunikation interessiert und habe deshalb die Anregung meiner Vorgängerin, mich in diesem Bereich zu professionalisieren, gerne aufgegriffen. Durch das Studium hat meine innere Haltung als Führungskraft an Klarheit gewonnen und sich zugleich differenziert. Natürlich habe ich auch viele hilfreiche Tools kennengelernt.

In Ihrer Welt und der Ihrer Schwestern, sind Privat- und Arbeitsleben eins miteinander. Welche Herausforderungen stellt das an Ihre Führungsrolle und die damit einhergehenden Aufgaben?

Das hat zur Folge, dass ich den Konsequenzen meines Handelns niemals entgehen kann, was eine Herausforderung und zugleich eine Chance ist. Die Probleme müssen konkret angegangen und gelöst werden, sie lassen sich nicht „unter den Teppich kehren“.

Das Thema „Generationen“ ist für viele Führungskräfte besonders heute eine große Aufgabe. Auch Sie leiten und bringen vier Generationen zusammen. Welche besonderen Anforderungen stellt das an Ihr Führungsverhalten und wie gehen Sie damit um?

Das Miteinander der Generationen erlebe ich als eine große Bereicherung. Wir haben viel Erfahrung mit dem Dialog unter den Generationen und dem Hören aufeinander. Es ist wichtig, dass alle sicher sein können, dass ihre Anliegen gehört und ihre Bedürfnisse ernstgenommen werden.

In Ihrer Branche ist es unüblich und außergewöhnlich, dass eine Frau das höchste Leitungsamt trägt. Welche besonderen Herausforderungen stellt das an Sie?

Das ist für die katholische Kirche insgesamt außergewöhnlich, in der (fast) rein weiblichen Welt eines monastischen Klosters aber völlig normal. Wir sind Teil einer sehr alten und selbstbewussten Frauentradition. Ich denke, dass die Gesamtinstitution viel von uns lernen könnte, z.B. Effektivität.

Können Sie sich an Momente erinnern, in welchen Ihre Führung überhaupt nicht funktioniert hat und wie sind Sie damit umgegangen?

Ja, in der Anfangszeit gab es immer Mal wieder Situationen der Überforderung, auf die ich dann auch überfordert und emotional reagiert habe. Inzwischen habe ich gelernt, auch in dramatischen Situationen die Nerven und die innere Distanz zu behalten. Gelassenheit wächst mit der Erfahrung.

Was möchten Sie den Führungskräften von Morgen als Botschaft mitgeben?

Ich wünsche ihnen Freude am Gestalten und einen gesunden Selbststand, der Konflikte nicht zu scheuen braucht, der Entwicklung zulassen kann – bei sich selbst und bei anderen. Erst wenn ich gelernt habe, nichts und niemanden klein zu halten, sondern Freude habe am Wachstum und am Erfolg der anderen, wird das Ganze aufblühen und sich entfalten, ganz gleich, ob es eine Firma ist, ein Verein oder eine Familie.